Katholische Pfarrgemeinde  Dom zum Heiligen Kreuz
Nordhausen

Liturgie - Der Zweite Blick

 


Foto: Peter Kane

Wo steckt Gott eigentlich in der Geschichte vom barmherzigen Samariter? 
Gott kommt nicht vor am Tatort – oder nur zwischen den Zeilen. Der barmherzige Samariter hilft auch nicht „um Gottes willen“, sondern, weil ihm ein Mensch zutiefst leidtut. 

Wo hat sich Jesus, der Gleichniserzähler, versteckt? 
Das Schönste an Jesu Erzählungen ist ja, dass er sich darin verbirgt und uns zum Suchspiel einlädt. Auch er will gesucht und gefunden werden. Und man sage nicht zu schnell: Natürlich steckt er in dem, der die gute Tat tut. Vielleicht auch. Ich entdecke ihn eher im Opfer, in dem, der zur Strecke gebracht wurde. 
Jesus wird mir und dir in dieser Stunde zum Allernächsten; er, der auf dem Weg hinauf nach Jerusalem ist, um am Kreuz zur Strecke gebracht zu werden. Wir alle sind darauf angewiesen, dass dieser eine anhält und mir Barmherzigkeit erweist. Hoffentlich wird Er am Ende meines Lebens da sein. Dann, wenn mir kein noch so lieber Mensch mehr zum Nächsten werden kann, ja dann brauche ich, dann brauchen wir alle diesen Sanitäter Christus.



Bibelwort: Lukas 10,25-37 (Evangelium vom 15. Sonntag im Jahreskreis)

AUSGELEGT!

Und wer ist mein Nächster?
Die Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zu mir selbst – in diesem Spannungsfeld leben wir als Christinnen und Christen. Eine Zerreißprobe? Vielleicht hilft uns das Bild eines beweglichen und elastischen Netzes, um zu begreifen, dass die dreifache Perspektive nicht starr und gesetzlich zu verstehen ist, sondern als lebendige Umsicht – dehnbar in verschiedene Richtungen. Diese Umsicht öffnet uns den Blick für das umfassende Lebensgeflecht, in dem wir als Menschen auf dieser Erde leben. Wer in diesem Netz mein Nächster oder meine Nächste ist, lässt sich nicht mit einem Maßband vorab ermitteln und festschreiben. Vielmehr können wir mit einer Haltung der beweglichen Verbundenheit im Herzen darauf vertrauen, dass wir es in wechselnden Situationen erkennen und darauf reagieren. Die Antwort auf die Frage nach dem Nächsten wächst uns also schon vor der konkreten Begegnung auf dem Weg des Lebens zu, wenn wir Umsicht und Verbundenheit als Ausdruck von Gottes Liebe erfahren und üben. Kann sein, dass wir manchmal scheitern oder erst über eine Schleife zur Einsicht finden. Entscheidend ist, dass wir die dreifache Perspektive der Liebe – zu Gott, zum Nächsten, zu uns selbst – immer wieder neu suchen. Und daraus Vertrauen schöpfen.

Susanne Brandt




Quelle: Bermoser + Höller Verlag AG
Foto: Peter Kane
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